Wandteller als Deko – Vor in die Vergangenheit!

Teller Wanddeko Vorschau

Trends wirken beizeiten wie eine Laune der Natur, so unerklärlich ist ihr Ursprung. So zum Beispiel der Teller als Wanddeko. Wie aus dem Nichts schlich er sich 2021 zurück in unsere Haushalte und lässt uns etwas ratlos zurück. Farben, Möbel, Einrichtungsstile – sie alle sind Moden unterworfen und wiederholen sich. So weit, so klar. Aber Wandteller? Echt jetzt?

Wandteller – wie bei Oma

Wenn man von diesem Jahr einmal absieht, habe ich das letzte Mal einen Wandteller als ernst gemeinte Deko gesehen, als ich noch ein Kind war. Die Wohnung meiner Oma war schon damals in Sachen Einrichtung ein Paradebeispiel der Geschmackswirrungen des deutschen Spießbürgertums. Sie als antiquiert (die Wohnung, nicht die Großmutter) zu bezeichnen, wäre ein Kompliment gewesen.

Die Biedermeiermöbel und Spitzendeckchen wären ja noch zu verzeihen gewesen. Es waren die Wandteller, die jeden Charmefunken im Keim erstickten. Von Ranken und Vögeln, eingerahmt erzählten sie die Geschichte der Menschheit. Wenn ich die Porzellanbilder richtig gedeutet habe, ging es um historisch signifikante Ereignisse wie die Schlacht um die Rehtränke von Buxtehude oder den Kamelfall von Wupsimtal.

Dekoteller als Wandschmuck – ist das Kunst?

Ich störe mich hier durchaus nicht nur an der fragwürdigen Motivik. Gutes Design, so die landläufige Meinung, ist die gelungene Verbindung aus Form und Funktion, aus Kunst und Zweck. Gutes Design ist ausstellungsreif, keine Frage. Und das Porzellankunst uns wunderschöne Fassaden wie beispielsweise in Lissabon bescherte, ist unbestritten. Es bleibt aber die eine alles entscheidende Frage: Warum in Form eines Tellers? Kreative Zweckentfremdung oder Geltungsduselei?

Manch einer beantwortet diese Frage wahrscheinlich mit „das ist echt antikes Meisner“. Womit wir mal wieder bei einem Reizthema angekommen wären. Nur weil etwas Geld kostet, Handwerkskunst erfordert oder aufwändig hergestellt wurde, heißt das noch lange nicht, dass es Einrichtungen bereichert. Teller – das Statussymbol des Kleinbürgertums? Wenn ich einen Wandteller sehe, bekomme ich höchstens Hunger und frage mich, ob das teure Porzellan an der Wand Rückschlüsse auf die Qualität meines Abendessens zulässt. Aber auch beim Kochen gilt bekanntlich: Geschmack ist keine Sache des Portemonnaies. Hoffentlich wird wenigstens das Abendessen keinem dekorativen Zweck zugeführt und in ein Kalorienfresko umgedeutet.

Wofür der Wandteller steht

Wer will schon eine bedruckte Tonscheibe mit Abstehkragen an seiner Wohnzimmerwand wissen. Wandteller sind disproportional zur Grundfläche und wirken deshalb im Vergleich zu Gemälden tüdelig. Durch ihre Wölbung springen sie den Betrachter förmlich an, sind aufdringlich und durch ihre Kreisform doch langweilig. Tiefe und Dynamik sucht man vergeblich. Jede Zimmerpflanze ist dem Dekoteller an der Wand überlegen. Warum der Wandteller dennoch wieder im Trend ist? Ich vermute, er ist ein Zeichen, dass wir uns nach Omas Schoß zurücksehnen, ist doch das Gestrige Symbol für das Einfache und Verlässliche. Statt „Zurück in die Zukunft“ steht dieser Trend für das Motto „Vor in die Vergangenheit“.



LETZTES UPDATE: 31.August 2021 von